Finanztagebuch

EZB – was soll der Bahö?

By 9. September 2014 Juli 31st, 2023 No Comments

Am 4.9. verkündete die EZB

a) die „Leitzinsen“ um 0,10% auf 0,05% zu senken und

b) ab Oktober „ABS“, verbriefte Kredite anzukaufen.

Daraufhin fiel der Euro gegenüber dem Dollar deutlich.

Warum?

zu a) Zinssenkung

* Grundsätzlich ist die Zinssenkung praktisch nicht wahrnehmbar – würde ein Unternehmen jetzt endlich eine große Investition in Angriff nehmen, weil der Kredit nicht mehr 6,2, sondern nur noch 6,1% kostet? Auf die reale Wirtschaft hat das wohl keinen großen Einfluss. Warum also sollte der Euro fallen?

* eine mögliche Erklärung: für Investoren wäre es nun attraktiver, in US-Dollar-Anleihen mit höherer Verzinsung zu investieren. Ein schwaches Argument, weil angesichts der unvorhersehbaren und starken Währungsschwankungen macht ein Zehntel-Prozent wohl wenig Unterschied.

* andere Erklärung: durch die niedrigeren Zinsen erhöhe sich die Gefahr der Inflation und daher flüchten Anleger aus dem Euro. Hä? All die Niedrigzinsen haben bislang keine Inflation bewirkt, im Gegenteil wird derzeit eher eine Deflation gefürchtet, daher scheint eine Herbeiführung einer Inflation durch Zehntelprozent-Zinssenkung absurd. Und bei einer Deflation müsste ja vielmehr der Kurs des Euro steigen, eben weil sie das Gegenteil von Inflation ist, Geld also immer MEHR wert wird.

Den Euro-Sinkflug aus der Zinssenkung zu erklären, ist daher nicht möglich – zumindest nicht logisch. D.h. entweder geht es um etwas anderes, oder der Sinkflug ist vorübergehend.

zu b) Ankauf Wertpapiere.

Welche Auswirkung soll das haben? Leider sagt uns niemand, was eigentlich gemeint ist. Verbriefte Kredite sind z.B. „Pfandbriefe“ (hier sind Immobilien das Pfand hinter den verbrieften, also gebündelten Krediten). Von wem will die EZB diese kaufen? Von den Banken. Die Theorie dahinter ist, dass die Banken dadurch  Mittel frei bekommen, um neue Kredite an die Unternehmen zu vergeben und damit würde dann, endlich endlich, die Wirtschaft angekurbelt. Allerdings: da die Banken gleichzeitig mit Basel III und „Stresstest“ bedroht sind und beide für Kredite an Unternehmen hohe Eigenkapitalquoten vorschreiben, erlaube ich mir zu sagen: very unlikely! Auch diese Maßnahme wird nicht in der Realwirtschaft ankommen, daher nicht Wachstum und Inflation befördern. ABER:

Wenn die EZB den Banken Kredite abkauft, die deren Eigenkapital belasten, dann stärkt sie effektiv deren gesetzlich, regulatorisch vorgeschriebene Eigenkapitalquote, also deren „Sicherheit“. Wohl kein Zufall, dass dieses Programm vor dem berüchtigten „Stresstest“ der europäischen Banken angekündigt wird.

Die EZB-Maßnahme wird also zur Gesundheit der Bankbilanzen, damit zur „Sicherheit des Finanzsystems“ beitragen. Leider ist es damit wie mit den Zierbäumen von Brecht’s Herr Keuner: sie sind wunderschön, aber keine Bäume mehr („Ich sehe die Kugel, aber wo ist der Baum?“), d.h. wir haben gesunde Banken, die leider keine Banken mehr sind, weil sie die volkswirtschaftlich wahre Aufgabe von Banken nicht mehr erfüllen, nämlich Kredite an die Wirtschaft zu verteilen.

Daher bleibt eine letzte Erklärung, warum die EZB-Ankündigung so deutliche Wirkung auf den Euro-Kurs hatte: sie wird wahrgenommen als ein Eingeständnis einer verzweifelten Situation.

PS: im übrigen möchte ich grundsätzlich sagen: die EZB versucht seit Jahren, jenes Vakuum zu füllen, in dem eigentlich Politik sein sollte. Und im Gegensatz zu all den Mario-Draghi-VerehrerInnen finde ich, dass das nicht sein sollte.

Nachtrag: und das Bemerkenswerte ist eben das: logisch sind die Maßnahmen ineffizient, dennoch wirken sie, beeindrucken sie „die Märkte“ und erzeugen die gewünschte Effekte. Daher haben alle Kritiker der EZB völlig recht und verstehen nichts. Die Inszenierung ist die Aktion, nicht die tatsächlichen Maßnahmen; die Inszenierung zeugt von Entschlossenheit, Erkenntnis und Plan. Darum geht es, dass irgendein relevanter Akteur dies vermittelt. Der Eindruck von Entschlossenheit wirkt. Und das ist, wiederum, genau das Armutszeugnis europäischer Politik, dass diese Rolle einem ungewählten Experten zufällt.

Und insofern, was bleibt übrig, als widerwillig zu akklamieren? Und zu hoffen, dass irgendwann doch die europäische Politik wiedererwacht und die Zeit nutzt, die mit den Inszenierungen der EZB erkauft wurde.